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Resilienz für die Hosentasche

5 Reminder für die Bewältigung von Krisen

Wenn Krisen hereinbrechen oder wie aus dem Nichts auftauchen, dann muss guter Rat nicht teuer sein. Fast immer haben wir alle Werkzeuge schon in unserem Repertoire – erinnern uns nur nicht daran oder übersehen sie. Zeit für eine kleine Gedächtnisstütze.

Krisen gehören zu unserer Lebenswirklichkeit und Teil dieser Wirklichkeit ist es auch,
dass sie zumeist unerwartet kommen. Dann kann uns der Boden unter den Füßen
weggezogen werden und guter Rat erscheint plötzlich teuer. Manche Menschen
scheinen jedoch schneller aus solchen Situationen herauszukommen als andere.
Dahinter verbirgt sich kein Geheimnis, sondern in aller Regel eine hohe Resilienz –
die psychische Widerstandskraft. Wobei mir psychische Bewältigungskraft immer mal
wieder als besserer Name erscheint. Schließlich sind wir nicht bloß resilient, wenn
wir Krisen abwehren oder ihnen widerstehen, sondern auch dann, wenn wir uns
schnell wieder von ihnen erholen. Ich stelle mir meine Resilienz gerne als das
psychische Äquivalent meines Immunsystems vor. Das schafft es auch nicht immer,
dass ich nicht krank werde, aber wenn es gut gestärkt ist, dann erhole ich mich
schnell und möglichst vollständig.

Wie wird man resilient?

Zwei gute Nachrichten vorweg: Resilienz kann man trainieren bzw. stärken und wir
alle bringen eine gewisse Resilienz mit, auf die wir aufbauen können. In der Forschung
zum Thema haben sich ein paar grundlegende Fähigkeiten und Kompetenzen
herausgestellt, auf denen unsere Resilienz basiert. Je nachdem welche
Autor*innen man liest, sind die Bezeichnungen etwas unterschiedlich, aber die folgenden
psychischen Resilienzfaktoren ziehen sich wie ein rotes Band durch die Literatur
und habe sich als solide Basis in der Praxis bewährt:

Selbstwahrnehmung

Tendenziell neigen Krisen dazu, unseren Blick für die eigenen Chancen und Möglichkeiten
zu trüben und stattdessen auf vermeintliche Defizite und Limitierungen zu
fokussieren und diese über zu bewerten. Je schneller es mir also gelingt, wieder eine
angemessene und realistische Einschätzung von mir selbst zu etablieren, desto
besser. Dann stehen mir auch meine eigenen Stärken und Ressourcen wieder zur
Verfügung, um die Krise zu bewältigen.

Selbstwirksamkeit

»Ich habe schon so manche Krise bewältigt und werde es auch bei dieser schaffen.«
Es scheint diese fundamentale Überzeugung der Selbstwirksamkeit zu sein, die
einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, dass wir resilient sind. Dabei ist dem
Ganzen noch eine tiefergehende Überzeugung vorgeschaltet: »Ich kann etwas tun.«
Die Selbstwirksamkeit ist also sowohl das Wissen darum, als auch die innere,
emotionale Überzeugung, dass dies so zutrifft.

Selbststeuerung

Die Krise bricht herein und die emotionale Achterbahn rast von einem Looping zum nächsten? Dann müssen ein paar Fragen ganz konkret beantwortet werden: Wohin mit all den tobenden oder lähmenden Gefühlen? Wie aktiviere ich mich für eine aktive Bewältigung und wie reguliere ich mein Gefühlsleben so, dass ich handlungsfähig bleibe? Je klarer und erprobter meine Antworten auf diese Fragen sind, desto besser.

Soziale Kompetenz

Geteiltes Leid ist halbes Leid? Häufig ja! Die meisten Krisen klären sich am besten mit der Hilfe und Unterstützung von anderen. Dazu brauchen wir nicht nur ein entsprechendes Netzwerk aus hilfreichen und hilfsbereiten Menschen, sondern auch die eigene Bereitschaft und Fähigkeit deren Unterstützung zu nutzen.

Problemlösefähigkeiten

Habe ich eine ähnlich gelagerte Krise bereits einmal erfolgreich bewältigt, dann werde ich schnell eine Lösungsidee parat haben: einfach den zuletzt erfolgreichen Weg erneut gehen. Aber was tun, bei einer Krise, die sich vollkommen anders darstellt und anfühlt? Dann ist die Fähigkeit gefragt, neue Lösungswege zu finden und zu erkennen, welche meiner Kompetenzen hier hilfreich sind. Vor allem auch dann, wenn ich sie in diesem speziellen Kontext noch nie benutzt habe.

Gute Nachricht: Resilienz kannst du trainieren!

Wie ich bereits weiter oben angedeutet habe: Alle diese Dinge kann jeder Mensch lernen und trainieren, um die eigene Resilienz zu stärken. Und auch mit jeder überwundenen Krise, die neu bewältigt wurde, kann unsere Resilienz wachsen. Doch dann kommt plötzlich diese eine Krise um die Ecke, die mich vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt und alle Resilienz scheint plötzlich wie weggeblasen.

Glücklicherweise ist unsere Kraft zur Bewältigung aber gar nicht weg, sondern lediglich von der Krise und ihren Auswirkungen überlagert. In der Rückschau auf eine bewältigte Krise denken wir ja oft, dass wir dieses oder jenes schon viel eher hätten machen sollen. Dann wundern wir uns, warum wir so lange in die falsche Richtung gelaufen sind.

Eine Möglichkeit der Vorsorge ist der kleine Resilienz-Reminder: quasi die Visitenkarte des psychischen Immunsystems. Dort sind zu jeder der 5 Kategorien 3 zentrale Stichworte notiert, so dass man sich in der Krise die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten direkt vor Augen halten kann – im wahrsten Sinne des Wortes!

Resilienz für die Hosentasche

Den eigenen Resilienz-Reminder erstellen

Wie so ein Reminder erstellt wird? In drei einfachen Schritten:

  1. Suche dir zu jeder der 5 Faktoren mindesten drei (gerne auch mehr) konkrete Referenzerfahrungen oder Handlungsmöglichkeiten.
    Sammel dafür z.B. für den Punkt »Selbststeuerung« möglichst viele Antworten auf die Frage: »Wie habe ich mich in vergangenen Krisen gut aktiviert oder beruhigt?« Wähle daraus dann die drei Antworten aus, die am effektivsten erscheinen und die in möglichst vielen Situationen anwendbar sind.
  2. Fokussiere auf die Essenz der jeweils drei gewählten Referenzerfahrungen oder Handlungsmöglichkeiten.
    Dazu hilft wieder eine Frage: »Wenn ich nur ein Wort hätte, um sofort die ganze Erfahrung bzw. Handlungsmöglichkeit zu verdeutlichen, welches wäre es?« Spiele ein bisschen damit herum und probieren es aus, bis die Essenz jeder, der jeweils drei Referenzerfahrungen oder Handlungsmöglichkeiten, in ein passendes »Aktivierungswort« gepackt ist.
  3. Schreibe den Inhalt auf eine Karte
    Jetzt muss noch die krisentaugliche Verpackung her, damit aus der ganzen Überlegung
    eine praktische Unterstützung wird. Die Karte sollte nicht größer sein als eine Visitenkarte und aus ebenso festem Papier bestehen. Der Rest ist dann ziemlich einfach: Schreibe den Resilienzfaktor vorne weg und dahinter jeweils die drei Schlagworte. Fertig!

Immer dabei, dann fehlt sie nie

Nun braucht die Karte nur noch einen festen Platz in deiner Hosentasche. Und da man ja nie weiß, wann und wo die eigene Resilienz schnell gebraucht wird (und Waschmaschinen Papier essen) hat es sich sowohl bewährt, gleich einen kleinen Stapel davon zu erstellen, als auch viele anderen Aufbewahrungsorte zu finden (z.B. im Portemonnaie, in der Arbeitstasche, unter dem Mauspad etc. …). So ist die Karte schnell und einfach verfügbar und der Reminder springt selbst dann ins Auge, wenn eine Krise unsere Wahrnehmung trübt.

In diesem Sinne wünsche ich dir für die nächste Krise einen schnellen Zugriff auf deinen Resilienz-Reminder und eine gute Bewältigung.

Herzliche Grüße
Raphael


geschrieben von Raphael Krämer

Arzt und Therapeut, Coach und Supervisor und immer gerne dort, wo Menschen miteinander nach Lebensfreude streben. Mein Ziel ist es, gerade bei komplexen Sachverhalten, diese auf ihre wichtigen Kerninhalte zusammenzufassen und zu vermitteln.

16/02/2022

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